Sturm 4

Die folgenden Tage hatte Dingsbums wieder scheinbar alles im Griff. Sie sorgte dafür, daß wir tagsüber nicht erreichbar waren. Wir besuchten Märkte und Orte, Landschaften und Klöster. Ich war wieder sehr angetan von Land und Leuten. Doch am Abend mussten wir uns ich Acht nehmen, daß keine der beiden Damen auftauchte um mich mit Beschlag zu belegen, das hätte meine Frau als unangemessen aufsässig empfunden. Schließlich war sie nicht mit mir verreist um mich mit jemandem teilen zu müssen. Auch fürchtete sie sich davor es könne mich jemand vor ihren Launen beschützen, die mich immerhin in schöner Regelmäßigkeit an den Rand der Verzweiflung zu führen hatten, damit es ihr gut ging!

Zuhause durften nicht mehr als 3 Wochen zwischen ihren Anfällen liegen – hier im Urlaubsort wollte sie das Privileg auskosten mindestens alle 3 bis 4 Tage einen „Hirnkrampf“ zu zelebrieren, einen Zustand also, bei dem mir unmissverständlich klar zu werden hatte wie sehr sie mich hasste und wie wenig ich mich in der Sicherheit eines ausgeglichenen Verhältnisses wohl fühlen durfte. Sie brauchte diese bedingungslose Hingabe meinerseits an ihre Person, dieses ewige Kümmern um ihre angekratzte und ständig verletzte Seele...so als hätte ich nichts anderes zu tun als sie anzubeten. Sie war keine Marilyn Monroe und keine Simone de Beauvoir, sie hatte keinen Humor, aber im Vergleich zu einem ekligen Troll, der nichts von bodenständiger Arbeit hielt, hatte sie immer noch eine Respektsperson zu sein!

Hatte sie denn nicht alle Warnungen Nimmichs (der Hexenmutter) außen vor gelassen und sich gnädigerweise, fortwährend gegen alle Bedenken der weiblichen Vernunft hinweggesetzt, nur damit sich ein lausiger Troll in ihrer Gegenwart aufhalten durfte?! Gut, sie hatte es ihm immer wieder ordentlich besorgt, damit er nicht etwa auf den Gedanken käme Besonderes geleistet zu haben, aber reichte das schon?! Er lebte doch noch – war das nicht genug?! Nein! Es würde noch eines Ereignisses bedürfen, das ihm einmal so gründlich den Kopf waschen würde, wie er es verdient hatte. Das wünschte sie sich, bedachte jedoch nicht wie sehr sie dabei selbst in die Bredouille kommen könnte. Zuhause, im weit entfernten Deutschland, schloss sich die gute Schwiegermutter eines Trolls indessen mit ihren Ritualen ein, um die arme Tochter endlich aus den Fängen eines unmenschlichen Schicksals los zu zaubern.

Und so verging die Zeit nicht nur in eitlem Geplänkel unter der südlichen Sonne. Wir näherten uns einer Schattenwelt, die manchmal schon abendlich über den Lichtern am anderen Ufer der Bucht lag und sich von dort aus in unseren Gläsern zu spiegeln begann.
Zuerst setzte nur leichter Wind ein, der uns jedoch nicht weiter beeindruckte... Gelegentliche Besuche der beiden Damen, die übrigens Masrorie und Hichtmeld hießen, hinderte er leider auch nicht daran uns zu belästigen, wenn wir nicht aufpassten. Ich hatte also stets die eine oder andere Gelegenheit mich an ihrer freundlichen Konversation zu erfrischen, mit der sie die mürrische Dingsbums immer wieder an die Wand spielten. Die atmete jedes Mal sichtlich und hörbar auf, wenn wir uns endlich in unser Kabäuschen zurückziehen konnten.

Auch Giorgio lud uns gelegentlich zu sich auf seine Terrasse, auf ein Glas Wein ein, um ein wenig mit mir zu plaudern. Die meiste Zeit war ich dabei ein bisschen beschwipst. Intuitionen hatte ich keine, ich genoss einfach das Leben, dachte bei mir meine heilige Partnerin würde ausnahmsweise schon einmal alles hinnehmen und verbrachte so ein paar Tage in fast ausgelassener Heiterkeit. Doch der Wind nahm quasi alle 24 Stunden immer ein wenig zu!
Nach unserem letzten Ausflug nach Tropea, wo ich an der Costa Viola einen geradezu mystisch wirkenden violetten Sonnenuntergang fotografieren und filmen konnte war ich richtig mit mir und der Welt zufrieden. Das erste Mal machte es mir keine Angst wieder einen Tag meines Lebens verloren zu haben, denn ich wusste, daß ich ihn mit persönlichen Gewinnen verbracht hatte.

Als gutes Omen nahm ich dann auch noch das Erlebnis einer aufwändigen italienischen Hochzeit in der Kirche auf dem Inselfelsen Maria d` Isola, wo wir die Braut am frühen Nachmittag, mit ihrem großen Hofstaat die Treppen zum Vorplatz des Tempels heraufkommen sahen. Natürlich filmte und fotografierte ich frech. Die Italiener störte es nicht. Uns fiel auf, daß die mediterrane Schöne offenbar ein kleines Bäuchlein hatte das offensichtlich nicht vom Essen herrührte. Die Gesichter der würdigen älteren Herren, die den Zug begleiteten waren ernst und sprachen Bände! Hier war wohl einem jungen Spund ein Angebot gemacht worden das er nicht ablehnen konnte. Wir lächelten still in uns hinein, folgten dem Zug bis ins Innere der Kirche zur Maria auf der Felseninsel und hörten noch den ersten Tönen, der großen Orgel zu, deren Musik sich wie ein Betäubungsschleier auf die Szenerie legte.

Am Abend saßen wir dann still beisammen, tranken Rotwein und sogar die hinzugekommenen Masrorie und Hichtmeld störten uns, respektive Dingsbums nicht sonderlich, die seltsame Stimmung zu genießen, die der tiefblaue Abend verbreitete.
Zu späterer Stunde, als die beiden weiblichen Gäste bereits gegangen waren, hatte Dingsbums dann noch eine Überraschung für mich bereit. „Hast du Lust auf die Liparischen Inseln?“ fragte sie süßlich. Eine davon, Stromboli hast du ja heute schon von Ferne gesehen, wie sie sich vor dem violetten Himmel abhob. Sie sollen geradezu traumhaft sein!“ Ich dachte an unzählige Motive, die ich in meinem Leben nicht mehr malerisch würde verarbeiten können. Dann stimmte ich begeistert zu. „Die Bootsfahrt dorthin habe ich schon gebucht!“ hauchte Dingsbums. Auch in dieser Nacht schlief ich selig ein, ohne mich später an diverse Alpträume erinnern zu können.

Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  17

© Alf Glocker


© Alf Glocker


3 Lesern gefällt dieser Text.


Unregistrierter Besucher

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  17"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  17"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.